"Gedicht-Schatztruhe"

Gedichte - alphabetisch nach Stichworten sortiert

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Literarische Ernte Aus Gaienhofen (Hermann-Hesse-Kolloquium 2004)

Am Bootssteg

Wesentlich für das Überleben ist es,
immer wieder einmal
gleich Booten vor Anker zu liegen.

Wir finden Halt an dem Ur-Grund,
der in beruhigender Weise uns trägt.

Wir schließen die Luken
gegenüber dem Getümmel in der Welt.

Wir lassen uns sachte wiegen
auf dem gleichbleibenden Wellengang
der Zeit, des jeweiligen Augenblicks.

Wir baden in der wärmenden Sonne,
verspüren den Wind, der uns umstreicht.

Die Stille beschenkt uns
mit dem Atem und der inneren Kraft
für die Weiterfahrt durch das Leben.

Basis für Zufriedenheit

Bei allem Glück, das wir verbuchen,
drängt es uns oft zum Weitersuchen,
ob sich nicht doch   noch   etwas findet,
dem sich das Herz   n o c h   m e h r   verbindet,

So sehr wir uns dabei oft mühen,
wobei wir gar vor Eifer glühen :
Die Ziele, die sich uns verwehren
–sie wollen uns die Einsicht lehren:

Zufriedenheit mit allen Gaben
schafft Dank für   das,   was wir schon haben.

Prinzip des Schreibens

Meistens   nicht   gereimt zu schreiben
wird mir   nicht   Maxime bleiben.
Will ich „dem gereimten Leben“
doch im Schreiben Ausdruck geben.

„Ungereimtes“ ist zu heilen,
wenn wir nicht in ihm verweilen,
sondern solches überwinden,
rhythmisch hin zur Einheit finden.

Stern – Fahrt

Durchs Fenster blinkt der Große Wagen.
Wie oft hat er in Kindertagen
mich an des Vaters Hand begleitet,
wenn dieser meine Sicht geweitet !

Wie oft lenkten des Vaters Worte
die Sinne durch die Zauberpforte
hin zu der Schöpfung Kostbarkeiten,
um ihnen Ehrung zu bereiten !

Der Große Wagen blinkt noch immer
und fährt im Traum auch durch mein Zimmer,
um mich – gleich Häwelmann – als Gnade
zur Fahrt in Fernen einzuladen.

Festigung

Die uns zugedachten Bahnen,
die wir in uns längst erahnen,
müssen uns oft   andere   weisen.
Doch das Glück, das uns verheißen,

wird am Ende in uns siegen,
wenn wir Zweifeln   nicht   erliegen.
Unser Schritt wird nun auf Erden
fester, selbstbewusster werden.

Erfüllung

Was du suchst, wirst du auch finden
Hierfür heißt es   :   überwinden,
was uns scheu und bange macht.
Unbeirrbar mit Bedacht

gilt es   jeden   Schritt zu wagen,
der an   uns   bestimmten Tagen
uns   den   Herzenswunsch erfüllt,
der die innere Sehnsucht stillt.

Schöpfungs-Morgen

In alten Schriften ist zu lesen :
So war’s zu Anfang wohl gewesen.
Im Dunkel   ruhten noch die Fluren,
entbehrten ungeformt Konturen.

Doch schon die ersten Sonnenstrahlen,
die – über Lande streifend – malen,
vermögen diese sacht zu wecken
und Silhouetten aufzudecken.
Der Sonne Licht vermag im Reigen
die ganze Pracht uns aufzuzeigen.
So   wird – fernab von allen Sorgen –
das Tagen neu zum Schöpfungs-Morgen.

Gelöster Abschied

In der allerschönsten Stunde
führen wir das Glas zum Munde,
um zum Abschied es zu leeren.
Es hilft nicht, sich nun zu wehren.

Nirgendwo auf dieser Erden
werden wir ganz heimisch werden.
Unbeschwert, gelassen, heiter,
treibt es uns zum Aufbruch weiter.

Was uns bleibt – schon auf dem Sprung –
ist   ein   Schatz: Erinnerung

Bücher-Wasserscheide

Bücher, die uns viel bedeuten,
deren Kauf wir nicht bereuten,
scheinen wie für uns geschrieben
–   so, dass wir sie innig lieben.

Manch   ein Buch, das wir entdecken
kann nur   Strohfeuer   erwecken.
Solch   ein Buch woll’n wir entsorgen,
ehe wir ihm Stunden borgen.

Was uns   bleibt, sind jene Schätze :
Bücher, Worte, wahre Sätze,
die uns auf dem Weg auf Erden
ständige Begleiter werden.