"Gedicht-Schatztruhe"

Gedichte - alphabetisch nach Stichworten sortiert

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Literarische Ernte aus Gaienhofen, 2005

Zwischen kritisch - distanzierter Begleitung der Politik

und zauberhaften Erfahrungen

Freundschaft in der Prüfung

Wie Freundschaften
unter einzelnen Menschen,
so sind auch Völkerfreundschaften
bisweilen Prüfungen ausgesetzt.

Solange beide
gleiche Wege gehen,
bleibt die Freundschaft ungefährdet.

Verändert sich jedoch
der Eine in seiner Haltung,
so muss der Andere
sich entscheiden, ob er
der Veränderung folgen will oder
ob er auf seinem Weg weitergeht
und hiermit    sich   selber   treu bleibt.

Trägt der Einzelne
bei solch einer Entscheidung
nur Verantwortung für sich selbst,
so lastet auf einem Staatoberhaupt
befreundeter Völker
die Verantwortung
für das ganze,
ihm anvertraute Volk.

Lichter überm See

Unzählige Lichter
über dem See
am gegenüberliegenden Ufer
weisen uns nicht nur,
dass beidseits der Fluten
Menschen in gleicher Weise
leben und wirken.

Die Lichter bilden
nicht nur Ketten am eigenen Ufer,
formieren sich nicht nur
zu "eigenen Reihen".

Ihr Schein, der sich
in den dunklen Wassern spiegelt,
zieht leuchtende Bahnen,
schlägt funkelnde Brücken
zu uns herüber
und überwindet Grenzen
– gerade in dunklen Zeiten.

Gnade innerer Freiheit

Wer kann schon
über einem See
mit Lichtern
gleich Glühwürmchen
am anderen Ufer,
bei zauberhafter Musik
und einem edlen Tropfen,
in dem sich Kerzenlicht spiegelt,
zeitig schlafen gehen ?
Freilich jene schon,
deren Auge tagsüber
durch das harte Werk
ihrer Hände gebannt gewesen.

Wer die Gnade hatte,
sich die Freiheit zu bewahren,
um solche Wunder
nicht zu übersehen,
wird den zweifelsfrei
wichtigen Schlaf
in seinem Leben
nicht vermissen.

Bewundernswert

Bewundernswert
sind   jene   Menschen,
die aus den schlechtesten Zeiten
immer noch
das Beste zu machen wissen.

Lohnenswertes Ringen

Viele mühen sich
um Erfolg.

Schnelllebiges Erfolgsstreben
dürfte nicht mehr
zum Ziel führen können.

Belohnt werden
sollten diejenigen,
die sich redlich mühen,
um sich eine Basis
für legitime Selbsterhaltung
zu schaffen.

Ein – bindungen

Ein Dichter darf,
wenn er klar sehen
und analysieren will,
nicht   dichter
an   dem   leben,
was er analysieren will,
als es die Objektivität erlaubt.

Es sind   zwei   Paar   Stiefel,
mit einem Gemeinwesen "verwoben"
oder "in es verstrickt"
zu sein.

Verwoben - sein
schenkt uns Halt,
Ver - strickt sein
bringt uns
am Ende
den Strick.

Lern – Spiel

Ungeduldige
sollten "Patience" lernen.

Das Wichtigste dabei :
Wenn es einmal
nicht mehr weitergeht,
die Karten neu mischen
und erneut beginnen
–bis es geht.

Wer zu früh aufgibt,
verliert das Spiel
–und zwar nicht erst am Ende,
sondern mittendrin.

Trüber Wintertag am See

Es ist, als kröchen alle Leute
heute
in ihre Zimmer,
wo Kerzenschimmer
den trüben Tag
vergessen lässt.

Nur Schwäne, Enten
drehen, wenden
sich auf den Wellen,
um zu erhellen:
Schon leben dürfen
wird zum Fest.

Beruhigend

Wieder sinkt ein Tag hernieder.
Leiser werden seine Lieder.
Tagwerk ist vollbracht.

Jede Regung wird verhalten,
naht das Ende im Gestalten.
Still zieht ein die Nacht.

Wieviel Tage uns noch blühen
steht in Sternen. Unser Mühen
zeigt uns wirkbereit.

Und: Solang wir uns noch regen,
spüren wir mit Dank den Segen :
Endlos wirkt die Zeit.

Kostbarkeit

Licht um Licht erlöscht zu später Stunde.
Klein und kleiner wird die traute Runde
derer, die die lange Nacht genießen
und sich Wahrheit in die Gläser gießen.

Was wir fühlen, wird uns wert und wichtig,
was die Andern denken, letztlich nichtig.
Kostbar wird, was wir dem eignen Leben
an Gehalt und Tiefe selber geben.

Weise Ehrfurcht

Der letzte Kerzenstummel
darf verglühen,
ehe wir uns
um ein neues Licht bemühen.

Was glüht,
darf seine Glut behalten.
Hier offenbart sich
Umgang mit den Alten.

Einst
werden wir es
dankbar schätzen,
wenn uns die Jungen
nicht zu früh
ersetzen.

Vor einem runden Geburtstag

Ein fernes Datum, das verlockend winkt,
das Trachten, es zu richten mit Erfolg,
versinkt in der Erfahrung,
dass die Zeit bis dahin lehrt,
was sich von selbst empfiehlt
und was man leicht entbehrt.

So ziehen wir gelassen
Schritt für Schritt
auf solch ein Datum zu
und gehen mit
im Rhythmus
der uns zugedachten Zeit.
Wir überlassen weise
der Fügung für uns
das Geleit.

Unter Entscheidungsdruck

Ein Kapitän,
der sein Ziel kennt,
muss in See stechen,
ob die Sonne nun scheint
oder nicht.

Ist auch am Horizont
kein Land in Sicht
–im Hafen liegen bleiben hieße,
sich den Anforderungen des Lebens
zu verweigern.

Perfekte Technik
und reicher Erfahrungsschatz
bilden die Leuchtfeuer
für eine erfolgreiche Seefahrt.
Ohne beides
würde die Fahrt
zum Abenteuer.

Bestätigende
wie auch warnende Signale
gilt es unterwegs
zu beachten und zu deuten.

Trotz widriger Umstände
auf Kurs bleiben
–darin liegt die Kunst
eines Kapitäns.

Ankommen allein
ist letztendlich wesentlich
–auch wenn die Fahrt
länger dauert als erwartet.

Muster-Spatzen

Ein Spatz hat – keck und aufgeweckt –
die Krumen – ausgestreut – entdeckt
und hüpft nach einer Weile schon
– flink pickend – über den Balkon.

Flugs ist er fort. Doch kurze Zeit
darauf ist er zurück – zu zweit.
Ein jeder strengt sich emsig an
und pickt sich eben, was er kann.

Der Eine hat wohl auch bedacht,
was andern eine Freude macht.
Trotz karger Mahlzeit fiel den Zwei'n
um sie zu streiten gar nicht ein.

Wenn im Bemüh'n , sich zu ernähren
die Menschen soo vernünftig wären
wie diese beiden Spatzen eben
– es würde viel Frieden geben.

Abschied vom See

Mit dem Abschied vom See
gehe ich einstweilen vor Anker
–was die Abenteuerfahrt
zu lockenden Zielen
hinter weiten Horizonten
neuer Erfahrungen betrifft.

Ich werde
im täglichen Umfeld
weiterhin schreiben,
aber anders.
Die inspirierende Seeluft,
die ich tief eingeatmet habe,
werde ich mir
in Nasenlöchern und Lungen
erinnernd bewahren müssen,
soll eine Brise Abenteuer
in meinen Wortschöpfungen
erhalten bleiben.

Aus meinem Schreibgiebel
unter dem Dach heraus
werde ich
über zweifellos ebenfalls
liebgewonnene Hügel mit
Weinbergen und Wäldern hinweg
mit dem Auge den Süden suchen,
wo ich den See auszumachen gedenke.

Bald schon winkt der Tag,
an dem ich wieder
von dem sicheren Grund
bewährter Äußerungen aus
zur Wagnisfahrt
neuer Erkundungen
in der Gedankenwelt
und zu deren sprachlicher Entfaltung
in See stechen werde.

Letzte Stunden

Die letzten Stunden
an einem Ort
sind immer
die Schlimmsten.

Das schmerzliche Bewusstsein
des nahenden Abschieds
vermischt sich
mit innerer Unruhe
in Ungeduld
bis zum endgültigen Aufbruch.

Was man nun noch tut,
hat bewusst vorläufigen Charakter.
Im Geiste
ist man bereits
dem, was man eben noch tut,
um Längen voraus.

So schmerzlich berührt
wir von hier scheiden
–im Augenblick
hält uns nichts mehr
hier.