"Gedicht-Schatztruhe"

Gedichte - alphabetisch nach Stichworten sortiert

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Literarische Ernte aus Häusern 2002

I.

Um etwas schätzen zu lernen,
bedarf es der Erfahrung,
es lange genug zu entbehren.

*

Warst du oft einsam, dann schätzst du die Zeit,
die du verbringst in Gemeinsamkeit.
Was du so lange, so schmerzlich entbehrt,
wird dir zeitlebens besonders von Wert.
Hast du gehungert, genießt du das Brot.
Kostbarkeit sehen   –   dies   lehrt dich die Not.

Was sich bewährt

In den Urlaub mitgenommen
hast du dir, was liegenblieb.
Doch   d a s   ist zu kurz gekommen,
dem sich einst dein Herz verschrieb.

And'res zieht dich in   d e n Tagen
–losgelöst - in seinen Bann.
Du beginnst   d i e   Sicht zu wagen,
dass man auch entsagen kann.

Neu gekräftigt kehrst du wieder.
Freie Zeit hat dich gelehrt,
dass im steten Auf und Nieder
Innehalten sich bewährt.

Nächtliches Dank-Konzert

Während viele Menschen schlafen,
wachen andre zu   d e r   Zeit.
Dankbar werden   d i e begrüßen,
geben Stimmen nun Geleit.

Quer durch unsre weiten Lande
tönt heilsam das "Nachtkonzert".
Die es sachte kommentieren,
werden uns vertraut und wert.

Mögen   s i e   in solchen Stunden,
wenn das Dunkel sie umhüllt,
a u c h   an anderen gesunden,
deren Freundschaft sie erfüllt !

Lehrzeit

Wertvoll ist des Winters Zeit,
die viel Einsicht uns verleiht :
Kostbar wird des Tages Licht,
denn verkürzt ist uns die Sicht.

Tagt der Morgen schon recht spät
– wenn die Sonne untergeht,
taucht sie uns bei aller Pracht
allzu früh schon in die Nacht.

Im geschenkten Zwischenraum
lebt kurz auf des Sommers Traum :
Wärme, die die Haut sanft streicht,
Strahlkraft, im Zenit erreicht.

Was der Winter vorenthält,
lohnt er uns mit   m e h r   als Geld :
Klare, kalte Luft befreit,
Makel deckt er weit und breit.

Wer es spürt, was er entbehrt,
dem wird alles viel mehr wert.
Was an Gaben uns versöhnt,
macht uns glücklich –   wie verwöhnt !

Einsicht macht sich in uns breit :
Lehrreich ist doch Winters Zeit.

Weichenstellung zur Weisheit

Bilder, die im Tageslauf
tief in unsere Seele sprechen,
tauchen in der Nacht neu auf,
um erblühend aufzubrechen.

Spinnt sie weiter fort der Traum,
um den Kern darin zu fassen,
schenkt das weite All den Raum,
Deutung ihren Lauf zu lassen.

Was die Stille einer Nacht
uns als Botschaft will verkünden,
hat viel Weisheit   d e m   gebracht,
der den Sinn weiß zu ergründen.

Was uns auch der Tag   er-hellt
– Weichen hat   die Nacht   gestellt.

 

Vielem , was der Geist bewegt,
ist das Schicksal auferlegt :
Es lässt allzu viele kalt.
Doch : Dies liegt   n i c h t   am Gehalt.

Es liegt an zu kurzer Sicht,
die sich nur Gewinn verspricht
von   d e m , was sich rechnen lässt.
S c h e i n   gibt sich als felsenfest.

Was nur vorder-gründig hält
–dies hat oft der Lauf der Welt
allzu schnell als Farce entlarvt
–S a n d - Gebilde , unbedarft.

Geist wirkt weiter durch die Zeit.
E r   lebt fort in Ewigkeit.

 

Erinnerung wird uns stets neu beseelen,
an deren Stätten Echo weiter zu uns spricht.
Sobald dort alte "gute Geister" fehlen,
verbindet Leere uns mit   jenen   Zeiten   nicht.

Zu neuer Heimat kann ein Ort uns werden,
wo uns Geborgenheit und Harmonie umfängt,
wohin die Wanderschaft auf uns'rer Erden
die Schritte unwillkürlich immer wieder lenkt.

Wir werden uns von selber gern erinnern
an solche Paradiese weiter durch die Zeit.
Sie leben fort ganz tief in uns'rem Innern,
sorgsam gehegt von uns als wahre Kostbarkeit.