"Gedicht-Schatztruhe"

Gedichte - alphabetisch nach Stichworten sortiert

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Motto-Gedichte SWR

Gedicht-Serie „Motto-Gedichte“
zur Einführung in die SWF-Sendung „Von Zehn bis Zwölf“

Erst-Versuch

08.03.1998

Für einen erwecken – den Sonntagvormittag

Auf einem Weg durch öde Flur
erstirbt in unserem Innern nur,
was dort im Grund doch angelegt,
doch nicht mehr keimt, da nicht gepflegt.

Sobald jedoch ein Mensch entdeckt,
was noch an Gaben in dir steckt,
wirkt dies gleich einem Sonnenstrahl,
der – unerwartet -   a u f   e i n m a l ,

Verborgenes vermag zu seh’n
und dich erlöst zum Aufersteh’n

Für einen aussichts-reichen Sonntagvormittag

Der Weg in unseren Alltagstälern
vermag uns oft die Sicht zu schmälern
für Höhen, die – noch nicht erkannt -
den Blick rundum ins weite Land
den Auszug dorthin uns verwehren.

Die weite Sicht wird wiederkehren,
wenn wir nach   A u f s t i e g   auf die Höhen
m i t   A b s t a n d   unsere Täler sehen
und dabei wieder neu entdecken
des Alltags heimelige Ecken,

die uns Geschmack daran erhalten,
uns   a u c h   i n   T ä l e r n   zu entfalten

Für einen unvergess-lichen Sonntag-Vormittag

An viele Tage unseres Lebens
versuchen wir dereinst vergebens
- trotz des Bemüh’ns – zurückzudenken
da sie den Blick nicht auf sich lenken.

Doch immer wieder gibt es Tage,
die bleiben uns ganz ohne Frage
auf ewig in Erinnerung.

Wenn wir, was nichtig war, vergessen,
behalten, was wir hoch bemessen,
erhält uns das Erinnern jung!

Für einen rhythmus-bewussten Sonntagvormittag

Ziele, die uns lockend winken,
reizen uns oft, ohne Rasten
auf sie ruhelos mit flinken
Schritten nur noch zuzuhasten.

Nur wenn wir den Rhythmus sehen,
der in unserem Innern waltet,
auch bisweilen schauend stehen,
spüren wir, wie sich gestaltet,

was wir „Rechter Zeitpunkt“ nennen
und als unser Ziel erkennen.

Für einen heim-eligen, weil be- heim-ateten Sonntagvormittag

Die große Kunst ist, zu genießen,
und trotzdem nicht sich einzuschließen
in dem, was uns geborgen hält
und uns den Blick dafür verstellt,
was in der Welt so vor sich geht.

Sind wir bei uns, im Heim, zu Hause,
doch nicht als „Burg“, „welt-fern“ als Klause,
vielmehr als Kraftquell‘ für das Leben,
wird Atemholen Einsicht geben,
worin der Ruf an uns besteht.

Für einen be-sänftigenden Sonntagvormittag

Nach Tagen, die uns nur getrieben,
wobei die Gesten uns geblieben,
die uns erregt und mutlos machten,
die manche Angst in uns entfachten,
sind wir recht dankbar für die Stunden,
in welchen wir erneut gesunden.

Wenn wir noch vor Ermattung zittern
und schon das nächste Unheil wittern,
dann werden Hände, die sanft streichen,
be-sänft-igend all das erreichen,
was tausend Worte nicht vermögen.
Die sanfte Geste wird zum Segen.

Für einen begütigenden Sonntagvormittag

Wenn uns des Lebens Härte trifft
und wir daran verzagen
dass Klippen, die wir   f a s t   umschifft
d o c h   n o c h   bedrohlich ragen,
tut uns ein Mensch besonders   g u t,
der Kraft bewahrt zur   G ü t e .

Ein Mensch, der uns’re Schwächen kennt,
jedoch auch uns’re Stärken,
der keines von dem andern trennt,
gibt Mut zu neuen Werken!
Die Wärme seiner treuen Hut
führt uns erneut zur Blüte!

Für einen verbindenden Sonntagvormittag

Ausgefüllte Tage, Wochen,
die uns Pflichten auferlegten,
haben Bande, die wir pflegten,
- oft belastend – unterbrochen.

Was wir uns für freie Stunden,
wenn wir zur Besinnung kommen,
schon so lange vorgenommen:
d i e   zu seh’n, die uns verbunden

- d i e s   emfiehlt ein solcher Tag,
der auch Kraft zu geben mag
für das künftige Geleit
im Gedenken Seit‘ an Seit‘

Version in offener Form:

Termine und Verpflichtungen
unterbrechen immer wieder
Verbindungen zu Menschen,
die uns im Grunde (über-)leben helfen könnten.

Frei Stunden, die wir dazu nutzen,
solche Bande wieder neu zu knüpfen,
helfen uns auch, die Tage danach
wieder gekräftigt zu bestehen.

Für einen an – Regen – regen – den Sonntagvormittag

Selbst ein Tag mit stetem Regen
kann uns neu dazu bewegen,
liebe Dinge herzukramen,
die uns aus dem Blickfeld kamen:

Briefe von getreuen Lieben,
die uns jüngst verschollen blieben,
Bücher, die uns soo viel gaben,
lange uns begleitet haben.

Dies regt an – auch ohne Sonnenschein! –
bei uns selbst so recht „zu Haus‘ zu sein“.

Version in offener Form:

Gerade die Regentage sind es,
die uns davor bewahren, uns außer Haus
rast- und ruhelos zu betätigen
und uns dabei selber zu verlieren.

Die Regentage sind es,
die uns an-regen können,
sich mit dem zu befassen,
was uns zu uns selbst zurückführt.

Einzige Möglichkeit

Dem Lauf der Zeit wie auch dem Leben
muss sich der Einzelne ergeben.
Er kann sich noch so drehen, wenden
– nicht alles liegt in unseren Händen.

Es bleibt uns nur, aus allen Sachen
das möglichst Beste noch zu machen.