"Gedicht-Schatztruhe"

Gedichte - alphabetisch nach Stichworten sortiert

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Literarische Ernte
aus Ligurien und Cinqueterre 2004

Lebensdevise im Süden

Die Berge, die wir hinter uns haben,
endgültig hinter uns lassen

Luft und Licht der Freiheit genießen

das Meer unserer Träume verkosten,
in das die Sonne allabendlich
- es vergoldend –   versinkt.
*
Liegt auch der Horizont
im Dunst des Ungewissen
–   die Küsten des Lichts
mit hoffnungsvollen Ausgangspunkten
sind uns sicher.

*
Steine verschiedenster Prägung,
gezeichnet durch unsere Erfahrungen,
pflastern unseren Weg
durch das Leben.

*

Auch Verzagte,
denen es verwehrt ist,
große Abenteuer zu erleben,
treibt es immer wieder
an die Küste,
wo ihnen die Brandung
einen Hauch von Abenteuer
vor die Füße spült.

*

Aus Gegenden,
wo wir uns   zu Hause fühlen,
fällt es uns schwer, zurückzukehren
an Orte, wo wir   unseren Wohnsitz haben.

Lichterglanz des Südens

Ein Lichterglanz erweckt im Süde
der reichen Phantasien Blüten,
die uns zu neuen Ufern führen.
Der Puls des Lebens ist zu spüren.

Der Lichterglanz lässt uns erträumen,
was wir nicht länger mehr versäumen :
dem bislang doch recht trüben Leben
ganz neue Leuchtkraft, Sinn zu geben.

Ein Lichterglanz in diesen Sphären
–er wird sich für uns nur bewähren,
wenn wir das Überlebte fliehen
und auf der Bahn des Lichtes ziehen.

Südliche Stadt am Meer

(Rapallo)

Was hell erstrahlte noch zur Nacht,
ist – wenn ein neuer Tag erwacht –
in seinen Träumen liegend, trunken
noch tief im Märchenland versunken.

Die Wellen, die ans Ufer treiben
–   sie laden ein, im Traum zu bleiben.
In dessen klarem Spiegelbild
erscheint des Lebens Ziel enthüllt.

*

Ist es uns im Augenblick
auch verwehrt, dort hinzuziehen,
wo uns winkt ein   neues Glück
–dieses liegt schon im Entfliehen,

wenn   sich hier von Zeit zu Zeit
heimlich leise die Gedanken
auf die Reise – meilenweit –
fortbegeben –   ohne Schranken.

Ist die Zeit einmal erfüllt,
dass wir ihnen   g a n z   erliegen,
wird der Reisewunsch gestillt.

Unsere innere Uhr wird siegen.

Nachlese

Wir sind nicht aus dem Holz geschnitzt,
das   Menschen   aus dem Süden
so leicht zur Lebenslust erhitzt
und formt zu wahren Blüten.

Was sie in ihrer Wiege schon
von ihren Eltern erben,
das müssen wir erst noch als Lohn
unserer Mühens erben.

Und dennoch lohnt sich dieses Ziel
auf unserem Weg durchs Leben :
bei allem Ernst dem leichten Spiel
mit Freuden Raum zu geben.

Einsicht

Jetzt, verweilend hier im Süden,
kann ich Menschen gut verstehen,
die, was sie verspätet sehen,
nachzuholen nicht ermüden.

Was sie allzu lang entbehrten
oder niemals je erfahren,
leben sie in d e n   p a a r Jahren,
die verbleiben. Älter werden

und sich dabei jünger geben,
sich dagegen aufzubäumen,
d o c h   zu altern, lässt versäumen,
ganz bewusst dem   J e t z t   zu leben.